Im Sommersemester 2006 nahm ich am Seminarwochenende in Computergrafik der Fachhochschule Aachen teil. Sich ein Wochenende lang in einem Kurs mit einem speziellen Thema auseinanderzusetzen und nebenbei Professoren und Kommilitonen besser kennen zu lernen war neu und einmalig. Und einmalig ist es anscheinend an der FH auch jetzt noch.
Im Wintersemester 2010 wurde ich gefragt, ob ich als Alumni nicht noch einmal mitfahren möchte. Da ich die Fahrt vor einigen Jahren schon gut gefunden habe, habe ich zugesagt. Die Freitagsvorträge musste ich allerdings ausfallen lassen, da ich arbeiten musste. Aber pünktlich zum Abendprogramm traf ich im Bergischen Land ein. Wir hatten einen kleinen Barraum im Keller zur Verfügung und bei lockerer Atmosphäre habe ich gelernt, was sich seit meinen Auslandssemestern an der FH so getan hatte. Wie andere Kommilitonen von einst sich nach dem Abschluss gemacht haben oder was die angehenden Absolventen für Pläne haben. Eine immer wiederkehrende Frage war, ob man lieber in den Beruf einsteigen oder doch noch einen Master machen sollte. Heute wie damals halten sich die Gerüchte, dass mit einem höherem Abschluss auch automatisch ein höheres Einstiegsgehalt einher geht. Dass mag für einzelne Unternehmen und Dekadenzuniversitäten gelten, aber konkrete Beispiele aus der Wirtschaft kenne ich nicht. Bei uns macht es eigentlich keinen Unterschied, von welcher Uni man kommt oder ob man Bachelor, Diplom oder Master hat. So zumindest meine Erfahrung. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass es mittelfristig einen Einfluss darauf hat, welche Türchen sich während der Karriere öffnen: Türchen, die mehr Berufserfahrung verlangen oder vielleicht doch eher eine spezielle Zusatzqualifikation.
Ab Samstag morgen nahm ich dann auch an den Vorträgen teil. Man merkte, dass die Jungs bald mit dem Studium fertig sind. Wenn sie nervös waren, dann nicht sehr und auch nur während der ersten 2 Minuten. Die meisten haben souverän und verständlich vorgetragen. Regelmäßig kamen angeregte Diskussionen zu Stande, die mich fachlich natürlich absolut überforderten. Aber solche Diskussionen kamen auch nach 40 Minuten Vortrag auf Folie 38 auf, als ich eigentlich gedacht hätte, dass sich alle wie ich gedanklich mehr mit dem nahendem Mittagessen, als mit Fouriertransformationen und Merkmalgraphen beschäftigen. Aber anscheinend war ich eine Minderheit, denn es diskutierten nicht (nur) die üblichen Überflieger, sondern es schienen alle folgen zu können. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns damals so sehr für Themen ausserhalb unseres eigenen Vortrags interessiert hätten. Ich habe das Gefühl, dass bei uns eher das Bestehen von Prüfungen mehr im Vordergrund stand als die eigentlich Themen.
Und noch einen Unterschied gab es: die Jungs haben Paper gelesen, verstanden, analysiert und in ihre Vorträge eingebaut. Paper. Auf Englisch, natürlich. Sowas kannten wir als FH-Diplomer gar nicht. Weder Paper, noch irgendwelche Texte auf Englisch. Darauf stieß ich erst während meines Masterstudiums. Allerdings glaube ich nicht, dass das an Bologna liegt, sondern wahrscheinlich eher an den ideen und dem frischen Wind, den die neuen jungen Professoren in den Fachbereich gebracht haben.
Auf dem Abendprogramm stand Samstag der Weihnachtsmarkt von Wiehl. Den Ort habe ich immer noch nicht bei Tageslicht gesehen, aber er scheint sehr schön und gemütlich zu sein. So ein Art Bad Münstereifel, wobei das allen Nicht-Eiflern wohl auch nichts sagt. Ich war allerdings so müde vom Vorabend, dass ich nicht mehr mit Schlittschuhlaufen ging. Nach einem Absackerbierchen mit 3 weiteren Drückebergern sind wir zurück in die Jugendherberge maschiert und ich direkt ins Bett, um von dem Wochenende wenigstens etwas Erholung zu haben.
Über die Nacht es sehr stark geschneit. Der letzte verbleibende Vortragende war noch gar nicht angereist und schien im Winterchaos untergegangen zu sein. Um die Zeit bis zur Abfahrt zu verkürzen veranstalteten wir eine Schneeballschlacht und "modellierten" einen echten Schneemann im Hof. Als der Schneemann fertig war, war auch der letzte Vortragende eingetrudelt. Dessen Thema wurde dann genauso engagiert abgehandelt wie die Vorträge am Tag zuvor. Das Endlich-geht-es-nach-Hause-Gefühl schien sich nicht breit zu machen.
Direkt im Anschluss ging es aber dennoch nach Hause, was auf Grund der Witterung viel länger dauerte. Einem Studenten ging in seinem Auto die Kühlflüssigkeit aus, sodass wir bei einem Kaffee in einer Tankstelle zusammen auf Rettung warteten. Die kam dann auch in Form eines Feuerwehrmanns, der mit einem Angstellten der Tankstelle befreundet war. Die 2 trieben Sonntag Mittag irgendwo eine Flasche Kühlmittel auf und machten das Auto auch sonst soweit wieder fit.
Es war interesant zu sehen, wie sich die Fachhochschule entwickelt hat und wie Themen, die man sonst nur aus der Presse kennt, vor Ort aussehen. Seien es Bachelorprogramme oder Studiengebühren, die ich auch nicht mehr so negativ sehe wie vor dem Wochenende. Ich denke, dank der schon langen komfortablen Arbeitsmarktsituation kann man sich zumindest im Informatikstudium einen Studienkredit erlauben - so lange es keine britischen Verhältnisse sind.
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