Die Unkenrufe im Vorfeld haben sich bewahrheitet. Die ersten Wochen sind sehr arbeitsintensiv. Wir verlassen das Büro selten vor 20 Uhr, eher 21 Uhr. Das Ende der ersten Phase ist nah und die Daten sammeln sich zu großen virtuellen Bergen, die einem real über den Kopf wachsen. Wie soll man das alles verwursten? Wie aussagekräftig sind die Zahlen eigentlich? Und während man versucht den Berg abzubauen, kommen ständig Querschüsse von irgendwelchen Notfällen die schnell behandelt werden müssen. Beim abendlichen Abschluss Meeting fühle ich mich jedes Mal gerädert und habe eigentlich keine Ahnung mehr, warum, weil ich dank der Querschüsse von meiner TODO Liste nur die Hälfte geschafft habe. Also eigentlich alles wie zu Hause. Ganz normale Arbeitstage.
Gott sei Dank sind die Mitarbeiter vor Ort nicht so ängstlich, wie ich befürchtet hatte. Lean Management hat einen zweifelhaften Ruf - zumindest außerhalb Argentiniens. Die Menschen laden uns nach Hause ein. Einige von uns sind schon seit ettlichen Projekten dabei und sagen, dass ist noch nie vorgekommen. Bei spontanen Abendessen, Tennisstunden und Barbesuchen entwickelt sich vorsichtig ein Leben neben der Arbeit. Was auch irgendwo nötig ist, denn nachdem wir uns 4 Wochen lang ein kleines Büro geteilt haben, erzählt man sich die Anekdoten schon mal mehrfach. Da tut ein bisschen frischer Wind gut.
Deswegen probieren wir uns in Sport. Die Spanier haben einen verrückten Squash-Tennis Hybrid erfunden. Tennis mit Wänden. Vergangenes Wochenende hat uns ein argentinischer Kollege in seinen Tennisclub eingeladen. Die Anlage war riesig, hatte ein Schwimmbad, eine Handballhalle, zwei Fußballplätze, ettliche Tennisplätze und einen Paddelkäfig. Über dem Clubeingang prangte der Bundesadler mit einem "Herzlich Willkommen" in altdeutscher Schrift. Ich spielte Tennis, versagte aber nach 10 jähriger Abstinenz völlig. Anstatt mich zu duellieren gab mir Alejandro, unser argentinischer Gastgeber, ein wenig Tennisunterricht. Und siehe da: es ist nicht ganz so einfach wie Fahrrad fahren, aber fast. Noch ein oder zwei Einheiten und ich glaube, ich könnte schon wieder zum Spielfuss beitragen.
Beim anschließendem Abendessen war ich aber leider nicht mehr so recht anwesend. Ich hatte mir von dem bisschen Sonnenschein, den es im Argentinischen Herbst doch noch reichlich gibt, einen Sonnenstich geholt. Lächerlich. Und ärgerlich. Das Essen und die Gespräche mit Alejandros Familie konnte ich immer nur teilweise wahrnehmen.
Diese Woche ist kurz vor uns. Sie ist sogar schon vorbei. Denn in Argentinien sind Gründonnerstag und Karfreitag Feiertage. Dafür fängt die Arbeitswoche am Ostermontag schon wieder an. Weil aber ganz Buenos Aires, immerhin ein Drittel der Gesamtbevölkerung Argentiniens, Urlaub macht, sind alle Reisemöglichkeiten ausgebucht - seien es Flugzeuge nach Überall oder Schiffe nach Uruguay oder Brasilien.
Wir wollen die Zeit für Tagesausflüge nutzen. Vielleicht sich einmal ein Polomatch ansehen. Oder endlich mal entspannen - und vielleicht doch ab und an etwas vom virtuellen Berg abtragen.
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